Ausführliche Erklärung zur Lage in den Erdbebengebieten

Türkei/Nordkurdistan:

Speziell in der Türkei und Nordkurdistan kam es zu starken Zerstörungen, da das Epizentrum des Erdbebens die kurdische Kleinstadt Pazarcik (kurd. Markaz/Bazarcix), die kurdische Kleinstadt Elbistan und die türkische Großstadt Maraş war. Umliegende Städte und Kleinstädte, wie bspw. Urfa, Antep, Malatya, Adiyaman, Osmaniye, Hatay, Antakya, Diyarbakir und viele mehr, waren ebenso stark betroffen. Das Beben nahm eine Stärke an, die bis an die syrischen Grenzregionen reichte und großen Schaden anrichtete, Schaden in einem Land, das sich bis heute noch immer nicht vom Krieg erholt hat. Am 08.02.2023, hat Recep Tayyip Erdogan den Ausnahmezustand ausgerufen, eine Handlung, die mit rechtzeitiger Hilfe nicht hätte ausgeführt werden müssen. Der Ausnahmezustand in der Türkei, erlaubt die volle Staatskontrolle und den Einsatz von bewaffneter Gewalt und Beschlagnahmung von jeglichem Eigentum, sowie die Kontrolle der internationalen Hilfe.

Syrien/Westkurdistan:

Neben einem Krieg seit 2015 und dem Kampf und Sieg gegen den IS, müssen vor allem die Menschen aus Syrien und Westkurdistan (Rojava), beim Aufbau eines ganzen Landes mithelfen. Ein Sieg, der ohne die demokratischen Kräfte Syriens und damit auch die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG und YPJ, nicht existieren würde. Ein Sieg, der auch den Menschen in Europa zugutekam. Doch genau diese Errungenschaften werden nun angegriffen und bombardiert. Jene Menschen, die uns vom IS befreiten, werden heute zur Zielscheibe von keinem geringeren, als dem NATO-Partner Türkei. Am 06.02. traf das Erdbeben Städte wie Afrin und Qamishlo (Al-Hasaka), die sich noch immer nicht vom Krieg erholt haben. Im Gegenteil, Afrin wurde zwischenzeitlich auch von türkischen Truppen bombardiert und besetzt. Nach dem Erdbeben kam es zu noch stärkeren Zerstörungen als ohnehin schon waren. Häuser, die bis dahin zur Hälfte gestanden haben, wurden durch das Erdbeben nun vollkommen zerstört. Auch Gefängnisse, in denen bekannte IS-Terroristen verhaftet wurden, waren so zerstört, dass sich diese befreien und teilweise fliehen konnten. Nur einen Tag nach dem starken Beben, kam es zu erneuten Angriffen und Bombardierungen seitens des türkischen Militärs. Menschen, die aufgrund von Krieg und Naturkatastrophe vor dem Nichts standen, wurden weiterhin bombardiert, während im eigenen Lande (in der Türkei), die eigenen Bürger*innen auf Hilfe warteten.

Wie ist diese Anzahl an Todesopfern zustande gekommen?

Dennoch gilt das Erdbeben nicht als das mit der bisher stärksten Magnitude. Im Jahre 1960 ereignete sich in Chile ein Erdbeben der Stärke 9,5, mit einer bis heute bekannten Zahl von etwa 1.655 Todesopfern. So auch in Japan, im Jahre 2011, mit einer Magnitude von 9,0 und einer Todeszahl von etwa 19.100 Menschen. Die Erdbebenskala leitet sich aus dem dekadischen Logarithmus ab, sodass bspw. ein Erdbeben der Magnitude 7 eine ca. 30-mal größere Energie aufweist, als ein Erdbeben der Magnitude 6.

Die Türkei gehört zu den Ländern, bei denen Expertinnen bereits seit Jahren auf Erdbeben und deren Risiken hindeuten. Jedoch gehört sie auch zu den Ländern, in denen die Wissenschaft geleugnet und sogar verboten wird und jene die sich dagegen auflehnen, mit Festnahmen rechnen müssen. Schon im Sommer 2022 kam es in den ländlichen Gebieten der kurdischen Kleinstadt Pazarcik, zu diversen täglichen Beben. Nach dem letzten großen Beben 1999 in der Türkei, wurden 18.373 Todesopfer verzeichnet. Nach dieser Naturkatastrophe wurden in der Türkei Erdbebensteuern eingeführt, die bis heute gezahlt werden. Hinzu kommt, dass im Jahre 2009 die Katastrophenschutzbehörde AFAD gegründet wurde, zu dessen Hauptaufgabe die humanitäre Hilfe national und international gehört, um den Bürger*innen des Landes eine schnelle, effektive und agile Hilfe zukommen zu lassen. Wieso also kam diese Zahl an Todesopfern zustande, obwohl in der Türkei die letzten Jahrzehnte, insbesondere unter Erdogan die Infrastruktur ausgebaut und erneuert wurde und neue Wohnungen bis hin zu Luxuswohnungen, die medial gesichtet und von Augenzeug*innen beobachtet und bestätigt, wie Kartenhäuser in sich zusammengefallen sind. Aktuell ruft der türkische Staat die Bürger*innen dazu auf, für die Katastrophenbehörde AFAD zu Spenden oder solche zu sammeln, um die humanitäre Hilfe zu gewährleisten. Eine Behörde, deren Kassen seit 2009 gefüllt sein müssten. Vor allem in den kurdisch-alevitischen, arabisch-alevitischen und christlichen Gebieten wie Pazarcik, Elbistan, Malatya, Hatay und Antakya, kam es die ersten drei Tage zu keiner staatlichen humanitären Hilfe. Angehörige mussten ihre Familienmitglieder mit eigenen Händen unter den Trümmern befreien. Videoaufzeichnungen zeigen, wie Frauen nach ihren Kindern und um Hilfe schreien. Menschen die unter den Trümmern noch lebten und nicht geborgen wurden, weil weder die Hilfe der zuständigen AFAD kam, noch die des türkischen Militärs. Im Gegenteil, Hilfen von kurdischen Organisationen oder diversen oppositionellen Parteien und zivile Hilfe aus Europa wurden staatlich verhindert oder gar beschlagnahmt und mit den parteieigenen Logos ausgestattet. Seit dem 06.02. konnte weder die AFAD noch das türkische Militär vollständig ausgestattet und aushelfend gesichtet werden. Das türkische Militär, das sich aktuell in Syrien befindet oder Westkurdistan bombardiert, konnte so gut wie gar nicht gesichtet werden. Im Gegenteil, an Orten an denen sie gesichtet wurden, bedrohten und behinderten sie internationale Hilfsorganisationen, welche voll ausgestattet zu Hilfe eilten. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass es sich beim türkischen Militär um eines der größten Militärs der Welt handelt und gleichzeitig eines der Militärs mit den größten Ressourcen ist. Die Sicherheit der Menschen hätte in jeder Stadt gewährleistet werden können – mit 575.000 aktiven Soldaten, 380.000 Reservisten und einem Budget von etwa 60. Milliarden US Dollar. Deutsche Hilfsorganisationen berichten auch von Schießereien, menschenunwürdigen Trümmerbefreiungen, etwa mit Baggern und die Missachtung von lebenden Menschen unter den Trümmern. Sie berichten von menschenverachtenden Zuständen. Zeitgleich beleidigt Recep Tayyip Erdogan jene Betroffenen, die auf Hilfe warten und nach dieser rufen, als „ehrenlos, undankbar, unmoralisch…“. Er besucht die vom Erdbeben zertrümmerten Städte und antwortet auf Fragen wie: „Wir haben Erdbebensteuern gezahlt, wieso sind die Häuser nicht entsprechend gebaut worden, wo sind die Gelder hin…“, mit eben genau diesen Begriffen und erwartet von der Bevölkerung Dankbarkeit. In jedem anderen Staat wäre bereits mit einem Regierungsrücktritt gerechnet worden, nicht jedoch in diesem.

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